11.03.2024

Stahl, Glas oder Keramik werden bei sehr hohen Temperaturen hergestellt. Für die Energiewende in der Industrie müssen diese Thermoprozesse defossilisiert werden. Das Forschungsfeld Thermoprozesstechnik bringt Forschende für dieses Ziel zusammen.

Für die Industrie und insbesondere Branchen, die auf Wärme mit hohen Temperaturen angewiesen sind, ist die Energiewende eine große Herausforderung: Denn zukünftig gilt es, traditionell mit Erdgas betriebene Thermoprozesse auf klimafreundliche Brennstoffe wie Wasserstoff oder Ammoniak beziehungsweise auf eine direkte elektrische Beheizung umzustellen.

„Thermoprozessanlagen laufen oftmals 30 bis 50 Jahre, daher sollte eigentlich jetzt schon keine Anlage mehr verkauft werden, die nicht entweder auch Wasserstoff-tauglich ist oder über Strom betrieben werden kann“, sagt Joachim G. Wünning von der WS Wärmeprozesstechnik. Er ist neuer Kurator des Forschungsfelds Thermoprozesstechnik und will über den regelmäßigen Austausch und die Vernetzung die Forschung und Entwicklung in diesem Bereich vorantreiben. „Wir Anlagenbauer wollen keine fossilen Energien mehr umsetzen. Wir wollen unseren Beitrag für die Energiewende in der Industrie leisten und weltweit vorne dran sein, wenn es um den Bau energieeffizienter Thermoprozessanlagen geht.“

Verschiedene Industrie-Branchen zusammenbringen

Das Forschungsfeld Thermoprozesstechnik hat sich im vergangenen Jahr aus dem ehemaligen Forschungsfeld „Metallerzeugung- und verarbeitung“ neu geformt. Damit öffnet es sich für alle Branchen, in denen Prozesse bei besonders hohen Temperaturen um die 1.000 Grad Celsius ablaufen.

„Die Thermoprozesstechnik ist eine sogenannte Querschnittstechnologie über mehrere Branchen hinweg. Ein Schwerpunkt liegt auf Metall, aber auch Glas, Keramik oder Chemie – überall sind Öfen im Einsatz mit einem Brenner, einer feuerfesten Auskleidung, einer Isolierung und es werden hohe Temperaturen benötigt. In Thermoprozess-Anlagen wird ein Drittel der Energie in der Industrie umgesetzt, so dass ein Austausch untereinander wichtig ist, um die Energiewende voranzubringen“, so Wünning.

Anlagen im Bestand umrüsten und weiterentwickeln

Die Forschungsfeldmitglieder beschäftigen sich insbesondere mit der Frage, wie die Wärme im Hochtemperaturbereich klimaneutral bereitgestellt werden kann. Bei regelmäßigen Treffen wollen sie über aktuelle Forschungsprojekte diskutieren und zukünftige Forschungsideen auf den Weg bringen. Ziel ist es, die Prozesse zu defossilisieren und Brennstoffe wie Erdgas und Kohle vollständig zu ersetzen.

Sofern dies technisch möglich ist, können einige Prozesse zukünftig mit klimaneutralem Strom elektrisch beheizt werden. Eine weitere Alternative ist der Umstieg auf klimaneutrale Brennstoffe wie grünen Wasserstoff. „Im Forschungsfeld Thermoprozesstechnik wollen wir uns zusammensetzen, eine faire Diskussion führen und für unsere Branche gute Wege erarbeiten. Wir müssen beispielsweise mit unserem Bestand lernen. Das heißt, keine neuen Anlagen bauen, sondern die, die es schon gibt, umbauen oderumrüsten“, erklärt Joachim G. Wünning.

Zusammenarbeit mit der Forschungsgemeinschaft Industrieofenbau

Eine Besonderheit des Forschungsfelds Thermoprozesstechnik ist die enge Zusammenarbeit mit der Forschungsgemeinschaft Industrieofenbau FOGI beim Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau VDMA. Um hier gemeinsame Kompetenzen und Erfahrungen zu bündeln und den Austausch von Forschung und Praxis zu intensivieren, werden die Forschungsfeld-Treffen an die halbjährlichen Treffen der FOGI angeschlossen.

„Das Forschungsfeld Thermoprozesstechnik und die Forschungsgemeinschaft Industrieofenbau können voneinander profitieren und sich in ihrer Arbeit gut ergänzen. In beiden Netzwerken sind ähnliche Akteurinnen und Akteure mit ähnlichen Interessen vertreten – da bleibt auch die Konkurrenz mal außen vor, um gemeinsame Probleme zu lösen. Das Forschungsfeld bietet darüber hinaus den Anreiz für mittelständische Anlagenbauer, auch ein Impulsgeber im Bereich Forschungsförderung für die Politik zu sein“, sagt Wünning.

Die Vernetzung und enge Zusammenarbeit des Forschungsfelds und der FOGI verfolgt damit ein klares Ziel: Gemeinsam wollen sie eine fokussierte Forschung und Entwicklung anstoßen und so die Thermoprozesstechnik auf dem Weg zur Energiewende bestmöglich unterstützen. (az/ln)

Klimaneutrale Wärme als Fokusthema

Das Forschungsfeld Thermoprozesstechnik ist Teil des Forschungsnetzwerks Industrie und Gewerbe. Dieses wurde vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) initiiert, um Expertinnen und Experten zu vernetzen und längerfristige Forschungsaktivitäten zu Schlüsselthemen zu intensivieren.

In 2023 hat das Forschungsnetzwerk Industrie und Gewerbe eine neue Ausrichtung angestoßen, um verschiedenen Forschungsthemen rund um die Wärmeerzeugung und -nutzung in der Industrie einen größeren Raum zu geben. So haben sich die Forschungsfelder Thermoprozesstechnik sowie Wärme und Abwärme aus ehemaligen Forschungsfeldern heraus entwickelt und thematisch – und in Bezug auf die Zielgruppe – breiter aufgestellt. Zudem ist das Forschungsfeld Wärmepumpen- und Kältetechnik neu hinzugekommen. Der deutliche Wärme-Fokus geht auch mit dem neuen 8. Energieforschungsprogramm des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) einher. Mit diesem verfolgt das BMWK eine missionsorientierte Innovationspolitik. Das heißt, die sektor- und fachthemenübergreifende Forschungsförderung ist an konkreten Zielen in fünf verschiedenen Missionen ausgerichtet. Zu diesen zählen unter anderem die Missionen Strom- und Wärmewende 2045.

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